Chronik

Wie alles begann

von Sabine Jördens, Arbeitskreis Kreuzkraut e.V.

Eigenartig war das schon, wie sie die Vorderbeine über Kreuz stellte. Es sah sogar lustig aus, weil es für ein Pferd völlig untypisch ist. Abgenommen hatte sie, meine liebe Trakehnerstute „Smarty“, aber auch darum machte ich mir damals im Jahr 2007 noch keine Sorgen. Ich gab doppelt Heu und zusätzlich Heucobs, doch von Gewichtszunahme keine Spur. Sie nahm rapide ab. Dann kamen in unregelmäßigen Abständen diese seltsamen Kolikanfälle. Zum Beispiel abends, wenn ich sie in den Stall brachte, ging sie nicht zur gefüllten Futterkrippe, sondern legte sich stöhnend in ihre Box. Oje, dachte ich, Kolik, eine lebensbedrohliche Situation. Doch dieser Spuk dauerte nur einige Minuten, dann stand sie auf und alle Beschwerden waren vorbei.

Komplettes Organversagen nach Aufnahme von Kreuzkraut
Unsere liebe Trakehnerstute "Smarty" erlitt eine Lebervergiftung, die tödlich endete.

Wir veranlassten eine Blutprobe und der Tierarzt korrigierte auch noch mal die Zähne. Mittlerweile sah Smarty ganz mickrig aus, verweigerte oft das Futter und stand teilnahmslos herum. Kurz nach der Blutabnahme früh morgens um 7 Uhr dann das Entsetzen. Smarty stand mit hängendem Kopf in der Box und bekam kaum noch Luft. Sie hustete immer wieder und Flüssigkeit und Schaum kamen ihr aus Maul und Nüstern. Sie versuchte zu schlucken, und ich bemerkte einen Kloß an der Speiseröhre an ihrer Halsunterseite, der sich dabei hin und her bewegte.

 

Meine erste Vermutung war Schlundverstopfung, doch unser Tierarzt hatte eine andere todbringende Diagnose. Smarty hatte über Nacht eine so starke Kolik erlitten, dass die Gase und Flüssigkeiten aus dem Magen-Darm-Trakt nach oben gedrückt wurden und den Weg nach außen nur über Maul und Nüstern finden konnten.

 

Es gab nicht die Spur einer Chance. Wir erlösten sie umgehend.

 

Einen Tag später bekam ich das Ergebnis der Blutuntersuchung. Die extrem schlechten Leberwerte hatten zu dem sehr schnellen Verfall und dem Kollaps geführt. Eine Vergiftung kam in Betracht.

Auf der Suche nach der Ursache stieß ich auf eine mir damals völlig unbekannte Pflanze. Jacobskreuzkraut, Senecio jacobaea L., in keinem meiner Pferdefachbücher als Giftpflanze erwähnt, aber auf unserem Paddock und den Wiesen zu Hunderten vorhanden.

 

Nun kannte ich sie und sah sie plötzlich überall: an Autobahnen und an Straßenrändern, in Gärten und auf Stilllegungsflächen, auf Wiesen und Weiden und später auch in Heu.

  • Damals hieß es noch, sie sei nur giftig für Pferde und Rinder. Heute wissen wir, dass auch Vögel und Bienen gefährdet sein können und die gefährlichen Inhaltsstoffe bereits in die menschliche Nahrungsmittelkette gelangt sind.

Der Arbeitskreis Kreuzkraut entsteht

Bereits im Herbst 2007 veröffentlichte ich die Internetseite www.jacobskreuzkraut.de nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Forschung, Bestimmungshilfen mittels Fotos meiner gefundenen Pflanzen und Tipps zur Bekämpfung.

 

Innerhalb kürzester Zeit bildete sich ein aktiver Arbeitskreis mit betroffenen Pferdehaltern, die alle in Unkenntnis von der giftigen Pflanze „überrollt“ wurden und zum Teil über schwerwiegende Erkrankungs- und Todesfälle eigener Tiere zu berichten wussten, die sie vorher nicht zuordnen konnten.

 

Erste Fragen tauchten auf, z.B. ob denn das Gift auch milchgängig sei oder ob Bienen die PA in den Honig einbringen könnten. Auf Nachfrage bei der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Dr. Helmut Wiedenfeld, ehemaliger Direktor des Pharmazeutischen Instituts, wurde uns das bestätigt!

 

  • Eine erschreckende Situation, denn das war bislang keineswegs offiziell bekannt. Im Gegenteil, auf einigen Webseiten von Landwirtschaftskammern stand 2007 noch geschrieben, Jacobskreuzkraut sei für Menschen ungefährlich und die Presse ließ verlauten, es sei noch kein Pferd daran gestorben.

Vereinsgründung und erste Tagung zu JKK

Zu unserer Vereinsgründung im Februar 2009 luden wir länderübergreifend zu der ersten Tagung zu diesem Thema überhaupt ein.

Erste öffentliche und zudem länderübergreifende Tagung über das giftige Kreuzkraut
Ausrichter: Arbeitskreis Kreuzkraut e.V.
Informationsveranstaltung im Rathaus der
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Dem AK bekannte Erkrankungs- und Todesfälle, Stand 2009
Jakobskreuzkraut_Bekannte Erkrankungs- u
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Kurze Zeit später fand ein Fachgespräch im Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, dem Julius-Kühn-Institut (JKI) statt, eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Hier konnten wir mit einer Präsentation "JKK aus Sicht der Pferdehalter" überzeugen.

Problematik Kreuzkräuter aus Sicht der Betroffenen
Jakobs_Kreuzkraut_Joerdens_3.pdf
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Für den Arbeitskreis Kreuzkraut e.V. folgte viel Pressearbeit sowie Vorträge in verschiedenen Landesämtern für Landwirtschaft und auch für regionale Gemeinschaften. Es wurden Flyer und weitere Infomaterialien erstellt, welche online zugänglich sind. Die Besucherzahlen der Homepage und die zahllosen E-Mail-Anfragen, die spät abends und neben dem Beruf im Ehrenamt bearbeitet wurden (und werden), sprachen und sprechen für den extrem hohen Aufklärungsbedarf.

 

  • Seitdem aber beschäftigt die Problematik der Pyrrolizidinalkaloide Experten aus Wissenschaft und Forschung, mittlerweile auf EU-Ebene. 

Stand der Forschung, Nachweise in Lebensmitteln (2014)

Die Forschung läuft auf Hochtouren. Im Pflanzenreich treten PA häufiger auf, nahezu 500 verschiedene Typen Pyrrolizidinalkaloide sind bekannt. Von jedem einzelnen müßte das exakte Ausmaß an Toxizität bestimmt sein, um das Risiko beim Namen nennen zu können. Nicht alle sind und werden bestimmt.

 

Zunächst wurden Rohhonige und Pollen untersucht. Die teilweise hohe PA-Belastung bezieht sich lt. BfR auf Honige und Pollen ausländischer Herkunft (Australien und Südamerika). Native Pollen können extrem hohe Anteile von bis zu 3300 μg/g von Jacobskreuzkraut enthalten. Rein deutsche Honige scheinen unbedenklich, denn nach den bisherigen Erkenntnissen ist Kreuzkraut nicht besonders attraktiv für Bienen. Dennoch wurden PA aus Senecio-Arten bereits in deutschem Honig nachgewiesen.

 

Von Glück können wir reden, dass ein Imker aus Schleswig-Holstein seine Honigernte hat untersuchen lassen. Das Trachtgebiet seiner Bienen lag in der Nähe eines 15 ha großen Naturschutzgebietes mit Jacobskreuzkraut, gelb wie ein Rapsfeld.

 

Der Honig, belastet mit 119 Mikrogramm pro Kilogramm, kam nicht in den Handel, sondern wurde über den Winter an seine 15 Bienenvölker verfüttert. Im Frühjahr waren fast alle Bienen gestorben. Seiner Vermutung nach starben die Bienen durch den PA-belasteten Honig, zumal eine anschließende Untersuchung auf die von Imkern gefürchtete Varoamilbe negativ war.

 

In einem Informationsblatt des niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) heißt es:

„Untersuchungen der TU Braunschweig und des LAVES Institut für Bienenkunde Celle haben den Einfluss der PA auf die Honigbiene und das Bienenvolk näher beleuchtet. Dabei zeigte sich, dass Arbeiterinnen relativ tolerant gegenüber PAs sind und Konzentrationen bis zu 0.2% (entspricht ca. dem Maximalgehalt, der natürlicherweise in Pflanzen z.B. Pollen zu erwarten ist) in der Nahrung ohne gravierende negative Effekte überstehen können. Ein anderes Bild bietet sich jedoch für die Larvenstadien. Diese reagieren etwa 10 mal empfindlicher auf PAs als die adulten Bienen und sind dem Einfluss der PA auch wesentlich länger ausgesetzt, da sie in der Zelle während ihrer Fressphase im Futter „schwimmen“ und die PAs nicht über die Kotblase entgiften können. Wenn nun zusätzlich zum Futtersaft (nahezu PA frei, da über die produzierende Ammenbiene PA-entgiftet) PA-haltiger Honig und vor allem PA-reicher Pollen gefüttert werden, könnten unter ungünstigen Eintragsbedingungen PA-Level erreicht werden, die einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Larve haben.“

  • Im letzten Jahr (Anm.: gemeint ist das Jahr 2013) wurden selbst für das BfR erschreckende Ergebnisse nach Untersuchungen von Tee bekannt.

 

Das stichprobenartige Screening von über 200 Teesorten auf 17 bisher bekannte PA ist nicht repräsentativ. Aber es wurden in Kamillen-, Brennessel-, Pfefferminz- und Melissentee u.a. Teesorten teilweise sehr hohe Belastungen festgestellt (bis zu 3428,8 μg/kg). Teilweise ging das Ergebnis aber auch gegen Null, da die Proben aus verschiedenen Chargen und daher aus unterschiedlichen Aufwuchs- und Erntebedingungen stammten.

 

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat reagiert, indem sie die Lebensmittelunternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht zur Minimierung der PA-Gehalte in Tees angehalten hat. Ein Erfolg sei jedoch nicht kurzfristig zu bewirken. Die Belastung in Tee ist laut Dr. Andreas Plescher vom Deutschen Fachausschuss für Arznei-, Gewürz- und Aromapflanzen auf Fremdsamen im Saatgut, auf die sogenannte Mitbeerntung von Beikräutern (z.B. Jakobskreuzkraut) und auf fehlerhaftes Unkrautmanagement zurückzuführen.

 

Salat und Salatmischungen dagegen waren schon häufiger mit dem „Gemeinen Kreuzkraut“ (Senecio vulgaris) verunreinigt, da im Anbau Herbizide ausscheiden und selektive Auswahl von Hand bei der Ernte angesagt ist. Die auch als „Gewöhnliches Kreuzkraut“ bekannte Pflanze bildet mehrere Populationen im Jahr und ist als häufiges Ackerunkraut gefürchtet. Landwirte und Erntehelfer sind zwar speziell auf das Erkennen geschult, welches sich im Salatanbau als Problemunkraut darstellt. Ein Vorkommen in handelsüblichen Salaten sei aber grundsätzlich nicht auszuschließen.

Der Übergang toxischer PA in Milch wurde von Dr. Helmut Wiedenfeld bei einem massiven Vergiftungsfall von Kleinkindern in Ägypten nachgewiesen. Die Kinder wurden mit der Milch von Ziegen gefüttert, deren Weiden intensiv mit dem Desfontanei-Kreuzkraut (Senecio desfontanei) kontaminiert waren.

  • In Deutschland sind Vorkommen von PA in Milch derzeit nicht bekannt und bei gutem Weidemanagement auch wenig vorstellbar.

Die Futterwiesen kreuzkrautfrei zu halten ist allerdings ein Kampf gegen Windmühlen. Zu stark ist das Ausbreitungspotential von Samen von unbewirtschafteten oder ökologischen Ausgleichsflächen und aus dem Straßenbegleitgrün.

 

Und von dort droht schon die nächste Invasion. Das Schmalblättrige Kreuzkraut (Senecio inaequidens), ein Einwanderer aus Afrika, hat von den gelbgesäumten Autobahnen das Ländliche bereits erreicht. Schwer auszumachen ist der hochtoxische Neophyt. Seine Wuchsform ist unscheinbar und im Grasbestand leider erst im blühenden Zustand sichtbar.

Maßnahmen dagegen von Seiten der Regierung werden auch hier nicht vorgenommen. Dort gibt man die Verantwortung nach wie vor an private Flächenbewirtschafter weiter.

Neue Ziele des AK KK

Die Ausbreitung von Kreuzkräutern ist natürlich nicht auf Deutschland beschränkt. Durch EU-weiten und internationalen Handel sind Lebens- und Futtermittel in Gefahr, mit toxischen PA verunreinigt zu sein.

 

Die Fähigkeit, Kreuzkraut zu erkennen und ggf. zu bekämpfen, muss daher über die Landesgrenzen hinaus bekannt werden.

Die wenigsten EU-Länder haben hier bislang Informationen.

Der Arbeitskreis Kreuzkraut, im Ehrenamt tätig, möchte daher die Inhalte seiner Homepage in die Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch übersetzen lassen.

 

Das gilt es zu finanzieren, denn allein die Übersetzung in eine Sprache kostet ca. 1.500 Euro. Bitte helfen Sie uns! Mit der Vereinsgründung 2009 erhielten wir den Status der Gemeinnützigkeit; Spenden und Mitgliedsbeiträge sind daher steuerlich absetzbar.

Spendenerklärung, Mitgliedschaft Aufnahmeantrag, Satzung
Antrag_Mitgliedschaft,_Spendenerklaerung
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